Nach langer Zeit gab es endlich mal wieder einen Grund die benachbarte Grenze zu überschreiten. Denn im ca. 150 km entfernten
Nieuwleusen in den Niederlanden sollten Whitehouse und zwei weitere Projekte,
Odal und Praying for Oblivion, spielen. Bei solchen Meldungen reagiere ich im Vorfeld immer recht skeptisch. Kann es wirklich sein, dass diese Koryphäen in so einem kleinen Ort spielen? Wie sich jedoch relativ schnell herausstellte, handelte es sich hierbei um kein Gerücht.
Nach fast zweistündiger Fahrt traf man am Freitag pünktlich um 20:30 Uhr ein und konnte außerhalb der leicht zu findenden
<Hondenkoekjesfabriek> bereits Töne des Soundchecks wahrnehmen. Auf dem mit Absperrband versehenden Parkplatz der Fabrik wurde man gleich freundlich von einer Dame begrüßt, die einem in holländischer Sprache eine kleine Wegbeschreibung zum Hintereingang gab. Nebenbei erwähnte sie, dass man bei ihr den Eintritt zu bezahlen hat und dass sie sich kein Thekenpersonal leisten könnten. Deshalb sollte man sich die Getränke selber aus dem Kühlschrank nehmen und das Geld in ein extra angefertigtes Fallrohr schmeißen. Man merkte gleich, dass das alles in lockerer Atmosphäre ablaufen wird.
Der Veranstaltungsort wirkte von außen noch relativ normal. Innen bot sich dann ein ganz anderes Bild. Der dezent gehaltene Eingangsbereich und der Vorraum stachen nicht ins Auge. Ganz im Gegensatz zu dem Hauptraum, wo die Auftritte stattfanden. Ein mit Stahlgerüsten bzw. -fachwerken verkleideter bunkerähnlicher Raum, der sich eigentlich nur durch die verhältnismäßig hohe Decke von so einem Bauwerk unterscheidet.
Die Verstrebungen waren zusätzlich mit Elektroschrott und künstlichen Fratzen versehen. Ein eingearbeiteter Monitor zeigte das Bild des Toilettenvorraums, in dem sich eine Webcam befand, die sich beim Vorbeigehen ständig bewegte und so dynamische Bilder in den Konzertraum übermittelte. Von der Decke hingen mehrere Telefonhörer, die mit der Anlage verbunden waren. Wer während der Konzertpausen reinbrüllte, konnte seine Stimme in verzerrter Form den anderen Besuchern über die Boxen näher bringen.
Der erste Auftritt begann um 22:00 Uhr mit dem als Power Electronics angekündigtem Projekt
Praying For Oblivion, das ich allerdings mehr als reine Geräuschperformance bzw. Klangkunst bezeichnen würde. Bei dem relativ kurzen und gelungenen Auftritt wurden unter anderem Dosen zerquetscht. Die daraus resultierenden Sounds wurden mit Hilfe eines Mikrofons auf die bereits laufenden Sounds aufsummiert.
Nachdem sich der Vorhang schloss, ging es nach einer kurzen Umbauphase weiter mit dem holländischen Projekt
Odal. Dieser rein optisch wirkende Hippie konnte mit seinen Klängen überzeugen. Sie gingen zumindest mehr in die Richtung
Power Electronics als die des vorherigen Projektes. Auch er spielte an den seinen Reglern rum. Dabei steckte er sich allerdings noch ein Mikrofon in den Mund und erzeugte so weitere gemeine Geräusche. Wäre die Anlage etwas lauter gewesen, dann hätte es sicherlich den Besuchern die Schuhe ausgezogen. Stattdessen rutsche seine Jogginghose
weiter nach unten und ein pelziges Dreieck kam hinter dem Tisch zum Vorschein. Was wie ein Versehen wirkte, stellte sich wenig später als pure Absicht dar, denn plötzlich stand der
Fucking Bastard nackt auf der Bühne. Der gut platzierte Tisch ermöglichte ein Fotografieren ohne eine anschließende Nachbearbeitung.
Um ca. 23:00 Uhr ging es dann endlich los mit den wüsten Beschimpfungen. Whitehouse standen auf der Bühne. Die anfangs noch rein instrumentalen Klänge, wurden wenig später durch die Beschimpfungen von
Philip Best ergänzt. Das Publikum reagierte sofort mit den typischen Bierduschen und Flaschenwürfen wie es bei
Whitehouse-Auftritten üblich ist. Als sich allerdings ein Bierschwall über eins der Laptops ergoss, kam
William Bennett sofort an den Bühnenrand und beschimpfte den Spritzer. Keiner wusste so recht, ob das jetzt ernst gemeint war, oder zur Performance gehörte. Wie heißt es immer so schön: Wer ständig schimpft, dem glaubt man nicht…
Vor der Bühne befanden sich ausnahmslos nur so genannte Hardcore-Fans, die sich bei den Flaschenwürfen gegenseitig übertrafen. Sehr zum Leid der freundlichen Dame, die die Karten verkaufte. Sie zuckte bei jedem Glasbruchgeräusch immer wieder zusammen. Als das Stück
A Cunt Like You anklang, gab es eine heftige Rangelei vor der Bühne. (Wird in Fachkreisen auch als Pogo bezeichnet.) Nachdem allerdings der schützende Wall der anderen Gäste ausblieb und deshalb zwei Personen zu Boden gingen, beschränkte man sich wieder auf die Bierduschen und das Flaschenschmeißen.
Um 23:55 wurde der Auftritt ohne Zugaben beendet. Die Tatsache, dass sich der Veranstaltungsort mitten in einem Wohngebiet befindet, lies eine weitere Lärmbelästigung der Bewohner wohl nicht zu.
Fazit: Der Whitehouse-Auftritt, der eigentlich ein wenig zu leise aber dennoch sehr gelungen war, wurde letztendlich durch die weit angereisten (fast 500km!) und erfahrenen Besucher stark aufgewertet. Andere Gäste hätte man sicherlich mit dieser Darbietung überfordert. Leider kommt es nicht so oft vor, dass solche Konzerte in greifbarer
Nähe stattfinden.
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