Galerie/Berichte
5 Jahre Electric Tremor

Mezire, T.A.N.K, Container 90, Presto Fervant, Ionic Vision, Spetsnaz und der DAF.Partei

Samstag, 24.03.2007 Beat Club, Dessau

 

 

Geburtstagsfestival der Intimitäten

…ist sicherlich eine etwas merkwürdige Überschrift für dieses außergewöhnliche Festival und wirft bestimmt ein paar Fragen auf, die allerdings beim kompletten Lesen des Berichtes beantwortet werden. Nach meinem letzten Besuch im Dessauer Beat Club hab ich die Entscheidung getroffen, dass es mit ziemlicher Sicherheit nicht der letzte gewesen sein wird. Allerdings hab ich nicht gedacht, dass es schon knapp ein halbes Jahr später zu dieser Wiederholung kommen würde, aber wer kann auch schon bei so einem Programm irgendwelche Ledercouch-Alternativen ins Auge fassen.

Die wieder einmal unproblematische Anreise und das sofortige Auffinden der gebuchten Pension ließen schon im Vorfeld eine entspannte Einstimmung auf den Abend zu. Obwohl sich, wie so oft, direkt neben der Übernachtungsmöglichkeit eine Kirche befand, wurde die durch die Zeitumstellung verkürzte Nachtruhe nicht mit frühem Glockengeläut gestört.

Der bereits um 19:30 nicht nur mit Autos gut gefüllte Parkplatz lies auf einen pünktlichen Beginn des Festivals schließen. Im Eingangsbereich wurden mehrere Gäste, ich eingeschlossen, darauf hingewiesen, dass Kameras nicht mit rein genommen werden dürfen. Somit hatte ich jetzt endlich mal die Möglichkeit, zwar mehr gezwungenermaßen, ein Festival richtig egoistisch und stressfrei zu genießen. Aber vielleicht kann man sich ja trotzdem ein Bild des Abends machen, wenn man meinen Ausführungen intensiv folgt. Die wahren Bilder bleiben allerdings nur in den Erinnerungen der Gäste, für alle anderen ist es eher ein Darkroom.

Wenige Minuten nach 20:00 Uhr kam Frank ans Mikro, um den Auftritt des Projektes Mezire anzukündigen. Mir völlig unverständlich, tat er dies in entschuldigender Weise und verwies gleich auf das nachfolgende Projekt T.A.N.K., bei dem er live ebenfalls tätig ist. Nun aber zum Mezire Auftritt. Gestartet wurde der Auftritt mit meinem, bis zu diesem Zeitpunkt, Lieblingsstück Reanimate. Etwas leicht verwirrt und verstört bewegte sich der Sänger dazu auf der Bühne, als ob er gerade erst zum Leben erweckt wurde. Die nachfolgenden Stücke wurden mit extrem starkem Stroboskoplicht begleitet, so dass kaum noch ein Blick auf die Bühne erfolgen konnte. Eigentlich optimale Bedingungen für gute Fotos, die jedoch nicht genutzt werden konnten. Bei den ganzen Lichtblitzen hab ich überhaupt nicht bemerkt, dass inzwischen Dirk hinter den Geräten seine Arbeit verrichtete. Wie zu erwarten, gab es natürlich das Stück Suffer und dies sogar in zweifacher Ausfertigung. Gewählt wurde unter anderem der Volt-Mix, wahrscheinlich um die etwas distanzierten Gäste vor der Bühne recht früh zum Tanzen zu animieren. Die vorherigen, experimentellen Stücke, die mir allerdings am besten gefielen und ich darunter sogar ein neues Mezire-Lieblingsstück (Penal Colony) entdeckte, lockten leider die wenigsten direkt vor die Bühne.

Wie bereits erwähnt, folgten hiernach T.A.N.K. mit der Unterstützung des Mezire-Sängers, versteckt hinter seinen Geräten. Auch hier gab es wieder eine kleine Ansprache und einen Hinweis auf das fünfjährige Bestehen von Electric-Tremor. Das es dabei zu Anfeuerungsrufen bezüglich irgendwelcher Frisuren kam, scheint wohl auf dem Hintergrundwissen eines kleinen Kreises zu beruhen. Mit stark verstellter und böser Stimme wurde nach der Ansprache gesungen, ohne sich dabei irgendeiner Verzerrer- und Halltechnik zu bedienen. Das Mirkofon mit dem zugehörigen Ständer wurde während des Auftritts auch visuell mit in die Performance eingebaut. So wurde oftmals der Ständer geboxt bzw. angerempelt, das Mikro umklammert und teilweise gemutet. Der zwischenzeitliche Hinweis, sich den Hyms Of Steel Sampler zuzulegen, auf dem sich selbstverständlich ein T.A.N.K.-Stück befindet, sollte meines Erachtens wirklich befolgt werden.

Der nachfolgende, fast zeitgleiche Auftritt von Container 90 und Presto Fervant  wurde kurz vorher angekündigt, die Aussage ist aber wohl nicht bei den meisten Besuchern angekommen, so dass einige meinten, der Auftritt von Presto Fervant  wäre ausgefallen. Stattdessen spielte die fast gleiche Besetzung im Wechsel immer ein Stück von Container 90 und Presto Fervant. Mir waren allerdings nur die meisten Container 90 Stücke bekannt. EBM Radio und Boots Of Precious brachten wie immer den Saal zum Kochen - Oberbekleidung gab es vor der Bühne eigentlich nur noch bei den weiblichen Gästen zu sehen. Schön war es, beim technischen Equipment wieder einmal einen Korg MS-20 bewundern zu können, der sogar in der Lage war, wenn auch nicht ganz beabsichtigt, polyphone Windowsmelodien zu spielen.

Da die DAF.Partei als letztes spielte, wurde es nun so langsam Zeit, das geheimnisvolle Projekt spielen zu lassen, über das so lange im Vorfeld geschwiegen wurde. Ionic Vision-CDs am Merchandisingstand ließen jedoch schon früh darauf schließen, dass sich diese Artikel dort nicht zufällig befanden. Und so standen dann völlig überraschend Ionic Vision auf der Bühne. Die ersten Titel hab ich im vorderen Bereich der Bühne verfolgt und war besonders von den markanten Schlaggeräuschen begeistert. Nach der Hälfte zog es mich dann allerdings mehr in den Vorraum, so dass ich nicht mehr richtig mitbekam, ob sie noch das Stück Push spielten, was eigentlich nicht fehlen darf.

Die Wiedervereinigung des Projektes Spetsnaz war sicherlich ein Teil der Krönung des Abends und genauso wurden diese Jungs auch gefeiert. Vor der Bühne gab es wieder einmal härtesten Körpereinsatz, der hoffentlich nicht zu ernsten Verletzungen führte. Davon mal abgesehen, dass so ziemlich alle wichtigen Spetsnaz-Titel (Apathy, To The Core, Bloodsport, On The Edge...) gespielt wurden, fragte der Sänger jedes Mal das Publikum, was als nächsten kommen soll. Das Leben ist halt doch ein Wunschkonzert, zumindest in Dessau. Besonders körperbetont ging es beim Stück The Perfect Body zu, wo der Schlagzeuger stolz seinen Hefespoiler präsentierte. Da er sich allerdings mehr im Hintergrund aufhielt, durfte man stattdessen die wesentlich kleinere Ausführung des Sängers während des Stückes begrapschen. Schön waren auch die Kleinigkeiten, die mit dem eigentlichen Auftritt nichts zu tun hatten. So spielte sich beispielsweise der Schlagzeuger mit den Hintergrundstücken in der Umbauphase warm. Sehr angenehm, den Rhythmus des Skinny Puppy Stücks Hexonxonx mal auf diese Weise präsentiert zu bekommen.

Apropos Rhythmus, der wichtigste Auftritt kam ja noch, die DAF.Partei - Robert Görl zusammen mit Thoralf Dietrich, dem Sänger von Jäger 90. Das hier die Erwartungshaltungen ziemlich hoch waren, dürfte allen klar sein. Allein die Tatsache, dass die Original-DAF-Tapes von 1981 zum Einsatz kamen und Robert Görl endlich selbst wieder am Schlagzeug saß, rechtfertigten schon die Reise nach Dessau. Dass Thoralf Dietrich diesen Auftritt dann noch einmal extrem aufwertete, machte diese Darbietung zum absoluten Genuss, obwohl es bei zwei Stücken Synchronisations- und nicht ganz unerhebliche Soundprobleme gab. So konnte man das zweite Stück, Als wär’s das Letzte Mal, nur schwer heraushören, außerdem fehlte der nötige Druck. Nicht ganz so schlimm war es bei Verschwende Deine Jugend. Alle anderen Stücke kamen richtig gut und wurden perfekt dargeboten.
Die überdimensional großen Kassettenrekorder auf der Bühne erinnerten stark an die achtziger Jahre und dienten wie auch schon damals zum Abspielen der elektronischen Sequenzen. Im Gegensatz zu früher, wo für jedes Stück eine eigenes Tapedeck zur Verfügung stand, musste Thoralf nach jedem Stück die Kassette wechseln. Robert war stattdessen stets mit dem analogen Schlagzeug beschäftigt und hämmerte die bekannten Rhythmen rein, was nicht nur klanglich gut wirkte sondern auch visuell.
Noch kurz zur Reihenfolge der gespielten Titel: Los ging es mit einem DAF Frühwerk namens Gewalt. Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal Stücke vom Album Die kleinen und die Bösen live erleben durfte. Der dritte Titel, Verlier Nicht Den Kopf, gehört ganz oben in meine Wunschliste und wurde glücklicherweise auch gespielt. Die Reihenfolge der anderen Stücke ist mir leider entfallen, dafür aber nicht die Titel. So konnte man noch zu folgenden Klängen lauschen und tanzen:
Mein Herz macht Bum, Knochen auf Knochen, Osten währt am längsten, Der Mussolini, Dein Kleid ist rot, Alles ist gut, Ich und die Wirklichkeit, Sato Sato, Der Räuber und der Prinz, Die Lippe.
Die absolute Überraschung war Knochen auf Knochen, ein Stück was eigentlich kaum jemand kennt. Das Osten Währt Am Längsten laufen würde, konnte man eigentlich schon im Vorfeld erahnen. Den Einbau der Textpassagen aus dem DAF.dos Stück Zurück Nach Marzahn jedoch weniger. Ich empfand dies aber als sehr angenehm, obwohl es ein kleiner Zeitsprung war. (Wer braucht auch schon eine Ledercouch!?)
Die Hälfte des Auftritts wurde übrigens von einer Flasche Korn begleitet, die durchs Publikum gereicht, aber merkwürdigerweise nicht komplett ausgetrunken wurde.
Das nach dem Verlassen der Bühne weitere Stücke gefordert wurden, war selbstverständlich. Allerdings war die Art der Rufe etwas anders als sonst, anstatt klassisch "Zugabe" zu brüllen, hörte man ständig "Zurückspulen", "Zurückspulen".
Abgeschlossen wurde das Konzert mit dem Titel Die Lippe, wo vereinzelt Gäste ihre Gesangsqualitäten zum Besten gaben. Streng genommen war dies das längste Stück des Abends, da es um kurz vor zwei begann und erst um kurz nach drei zu ende war.

Für die Zukunft wünsche ich mir weiterhin Festivals auf so einem hohen Niveau, die von den Gästen wie in Dessau entsprechend gewürdigt werden. Möge die Kondition des harten Kerns dort nie zu ende gehen!

20070327

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