Über die Bands kann man sicherlich viel schreiben bzw. sehr wenig. Viel interessanter ist meiner Meinung nach diesmal die Berichterstattung über die Organisation. Die war zwar in den vorherigen Jahren mehr als vorbildlich, nur dieses Jahr gab es einen erhöhten Schwierigkeitsgrad. Der im Kanonenhaus geplante Elektroanschlag musste leider einem nicht geplanten „Brandanschlag“ weichen. Ca. 1 Woche vor dem anstehenden Termin ist das Kanonenhaus aus unbekannter Ursache abgebrannt und stellte so das Organisationsteam vor neue Herausforderungen.
Innerhalb kürzester Zeit wurde händeringend nach einem Ersatz gesucht. Natürlich gab es im Vorfeld noch Ausweichmöglichkeiten zum Kanonenhaus, diese wurden aber Stück für Stück anderweitig verplant, nachdem der April-Termin immer näher rückte. So war dann letztendlich noch nicht einmal absehbar, ob überhaupt ein Ersatz in Altenburg gefunden werden konnte. Nur die geplante Warm-Up Party in der
Villa Bar stand nie zur Debatte. Wenige Tage vorher, oder auch kurz vor knapp, gab es die Entwarnung. Der Elektronanschlag Nr. 10 wird in Altenburg stattfinden, jedoch diesmal nicht beschränkt auf einen Veranstaltungsort. Am Freitag gab es mit minimaler Merchandising-Unterstützung ein Debüt in der
Music Hall und am Samstag mit wesentlich mehr Platz und kompletter Einkaufsmeile ebenfalls ein Debüt in der
Tenne (Altenburger Brauerei).
Den meisten Besuchern hat ganz klar der Veranstaltungsort am Samstag (Tenne) besser gefallen, was nicht nur am übermäßigen Platzangebot lag. Da spielten sicherlich noch die Erreichbarkeit, Optik und Atmosphäre eine sehr große Rolle. Dennoch gab es vereinzelt Stimmen, die den kompletten Fokus auf den Sound legten
und deshalb den Höhepunkt des Wochenendes eher am Freitag (Music
Hall) „sahen“. Bedingt durch die verschiedenen Deckenkonstruktionen gab es natürlich Klangunterschiede an beiden Tagen. Wie man diese allerdings bewerten soll, liegt im Ohr des einzelnen Hörers. Mir persönlich hat beispielsweise akustisch der Auftritt von
Sandblasting in der
Tenne sehr gut gefallen. Die wummernden Bässe haben seiner Darbietung eine besondere Note verliehen, die sich in der
Music Hall sicherlich nicht herauskristallisiert hätte.
Natürlich hat auch mir die Tenne etwas besser gefallen, viel wichtiger finde ich allerdings, dass man bei mehreren Veranstaltungsorten glücklicherweise nicht dem WGT-Beispiel gefolgt ist und die Auftritte hat parallel stattfinden lassen.
Trotz meines Kommentars am Anfang, möchte ich noch kurz auf ein paar Bands bzw. Projekte eingehen, denn die sind ja eigentlich der Grund, warum es überhaupt ein Zusammentreffen in Altenburg gegeben hat. Stichpunktartig und chronologisch werde ich mich durch das Wochenende arbeiten, das inzwischen bereits
4 Wochen zurückliegt. Viele Kleinigkeiten wurden bereits vergessen und so kann ich mich beim Stammeln auf
das Wesentliche konzentrieren. Hier also die Beschreibung für den Freitag:
SONIC AREA (F)
… hätte ich mir fast noch ein wenig anschauen können, da ich kurz vor Ende der Darbietung eintraf. Ich zog es jedoch vor, im Eingangsbereich zu kommunizieren.
HEIMSTATT-YIPOTASH vs. TAKHTAHK (D)
… ein harmonisches Zusammentreffen, dass man fälschlicherweise mit dem Begriff Versus verknüpft hat. Bei Versus denke ich eher an Konkurrenten, wo am Ende jemand am Boden liegt oder weint. Vielleicht gab es hinterher noch irgendwo Freudentränen, weil der Auftritt so gut ankam, aber das ist reine Spekulation. Musikalisch war der Auftritt wie zu erwarten sehr professionell. Die Performance wirkte jedoch für meinen Geschmack zu konzentriert. Gerade von
Heimstatt Yipotash gab es in der Vergangenheit immer Überraschungen, die diesmal leider ausblieben. Für
TAKHTAHK war es übrigens die erste Bühnenperformance mit seinem Projektnamen. Da wunderte es mich auch nicht, dass er die einzige Person dieser Formation war, die bei jeder digitalen Belichtung unverschwommen auf dem Speicherchip gesichert wurde.
HUMAN LARVAE (D)
… dekorierte die Bühne mit toten Organen, so dass sich ein paar Autofahrer sicherlich an misslungene Überquerungsversuche von Kleintieren auf Landstrassen erinnerten. Demzufolge konnte man im vorderen Bereich eine etwas andere Zielgruppe beobachten als noch beim vorherigen Auftritt. Außerdem stellte sich durch die
Power Electronics-Klänge eine ganz andere Atmosphäre ein, die weniger zum
Tanzen einlud, sondern vielmehr zum Aggressionsaufbau.
Ein reines Konsumieren des Auftrittes war nicht möglich, da man sich zwar auf
die Hintergrundvideos konzentrieren konnte, aber zugleich immer aufpassen
musste, dass man nicht in die Performance des Künstlers einbezogen wurde, der
sich einen Großteil der kurzen und prägnanten Präsentation vor der Bühne befand
und nicht gerade einen Kuschelkurs mit den Gästen suchte. Einer hatte den Mut,
sich kurz das Mikro von der Bühne zu organisieren. Dieses wurde ihm aber
kommentarlos und unsanft wieder entrissen. Sehr schön war auch die sich ständig
wiederholende Liebessequenz aus dem Film 1984, die mit dem rausgerissenen
Herz auf der Bühne und dem blutigen Ausgang auf der Projektionsleinwand ein
schönes Zusammenspiel ergab. Danach stand einem CD-Kauf nichts mehr im Wege.
Diese ist übrigens genauso ein Kracher, wie der Auftritt selbst. Bitte mehr
davon!
TONIKOM (USA)
… ist eine weibliche Person, die sich in einem hautengen, weißen Latex-Kostüm mit überlangen Tennissocken präsentierte. Rein musikalisch ist bei mir aber nichts hängen geblieben. Hab auch nicht den ganzen Auftritt verfolgt. Stattdessen verbrachte ich ein wenig Zeit damit, im Hof einen Fettschlauch zu vertilgen.
XSOZ (GR)
… hat einen fast unaussprechbaren Projektnamen, der bei mir nur noch eine große Erinnerungslücke in Bezug auf das musikalische Output hervorruft.
Natürlich könnte ich mir den Festival-Sampler zur Hilfe nehmen, das wiederum
spiegelt jedoch meine Erinnerungen wieder. (Das Stück auf dem Sampler kann man
übrigens sehr schön genießen.)
XABEC (D)
… wie immer ganz groß - bildlich gesprochen. Performance und Sound in Perfektion, sehr schöne Videos im Hintergrund! Alles was ein guter bzw. sehr guter Auftritt benötigt. Aufwendiges Equipment und eine schöne Lichtinstallation rundeten das Bühnenbild ab. Trotzdem hab ich Trottel vergessen mir die neue CD und DVD
zu kaufen.
IN SLAUGHTER NATIVES (S)
… ist kurz gesagt, ein CMI Act, den ich zuvor noch nicht live bewundern durfte. Schade eigentlich, denn was dort geboten wurde, schreit ganz klar nach mehr. Rituelle und martialische Klänge mit düster aggressiven Gesangseinlagen. Erinnerte mich teilweise sehr stark an ein Stück von
Controlled Bleeding. Ich hoffe, dass dieses Kompliment auch als solches verstanden wird.
AB OVO (F)
… lieferten musikalisch und handwerklich wirklich einen sehr guten Auftritt ab.
Die Performance erforderte es allerdings nicht, die eigenen Blicke in Richtung
Bühne zu lenken. Stattdessen konnten man sich besser dem faszinierenden
Elektronanschlag-Video von Stephen Swartz widmen. Aber dazu später noch mehr. CD Kauf des Headliners sollte man allerdings zu einem späteren Zeitpunkt mal in Betracht ziehen.
Nach einer relativ kurzen Nacht und einem reichhaltigen Frühstück stieg dann
nach einer weiteren Ruhephase im Hotelzimmer die Vorfreude für die zweite Runde,
diesmal jedoch in der Tenne. Selbst mein Auto war richtig begeistert, so
dass es vor lauter Freude unten schon ganz feucht war. Weiter im Programm:
SANDBLASTING (I)
… durfte den Samstagabend eröffnen. Möchte man das klangliche Ergebnis kurz und
knapp beschreiben, kann man am besten den allgemeinen Begriff: tanzbar
verwenden. Obwohl man noch damit beschäftigt war, die optischen Eindrücke tief
im Gemäuer der Altenburger Brauerei bzw. Tenne zu verarbeiten, konnte man
sich schon wohlwollend auf den Sound des Künstlers einlassen. Mit seinen
pulsierenden Bass-Spuren traf er genau meinen Geschmacksnerv. Man hatte zudem das
Gefühl, dass die Lautstärke aufgrund der besseren Abschirmung zur Außenwelt ein
wenig angehoben wurde, was dem Künstler sicherlich zugute kam.
MORBUS M. (D)
… war der zweite Act des zweiten Tages. Mir kommt es fast so vor, als ob ich den Auftritt komplett verpasst habe. Hier kann ich nur mit einer Erinnerungslücke aufwarten.
TEN DATA KESHIN (F)
… sind mir ebenfalls nicht in Erinnerung geblieben.
MANDELBROT (D)
… bestehend aus Philipp Münch und Barbara "Babsi" Teichner, hatten eigentlich nie geplant, mit diesem Projekt irgendwann mal live aufzutreten. Im Gegensatz zu Haus Arafna und Wumpscut
hat es dann wohl aber doch unter den Finger gejuckt und man stand bereits das
zweite Mal unter diesem Namen auf der Bühne. Hat man den Drang, diese Darbietung
mit Punkten zu bewerten, darf man hier sicherlich die volle Punktzahl vergeben.
Perfekter Sound im Ambient-Gewand, schöne und passende Hintergrundvideos,
erzeugen einer traumhaften Live-Atmosphäre, dafür steht jetzt Mandelbrot.
WARBABY (IRL)
… wollte ich mir eigentlich gar nicht anschauen und dafür lieber ein wenig
Auszeit nehmen. Da ich mir den Anfang allerdings nicht erspart habe, entschloss
ich mich noch ein wenig länger reinzuhören, da es klangtechnisch einen guten
Eindruck machte. Einem weiteren Gast gegenüber äußerte ich dann etwas später
noch, dass dem Auftritt irgendetwas fehlt, damit es schlecht wird. Während
meiner Ausführungen wurde vorne richtig Gas gegeben. Und so kam
es, dass das Publikum nach sphärischen Klängen von Mandelbrot noch richtig
rhythmisch gerockt wurde.
ATROX (D)
… bekennender Anhänger der Analogtechnik hat im Internet groß vorher angekündigt, dass er diesmal mit Laptop auftreten wird. Voller negativer Erwartungen und gemischten Gefühlen steuerte man somit dem neuen Gewand von Atrox entgegen und wollte es so recht nicht glauben. Doch tatsächlich gab es dann einen Atrox hinter einem Pult auf dem sich so ein Klappgerät befand. In typisch gebeugter Laptop-Haltung wurde dann dieses Business-Gerät bedient und es gab so einen Allewelt-Tanz-Sound. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich genügend Leute im Publikum befanden, die meinten, Atrox ist immer so. Nach wenigen Minuten wurde diesem Treiben jedoch Einhalt geboten. Die Live-Unterstützung von Atrox vernichtete mit einem Baseballschläger mal eben gezielt dieses hochmoderne Musikinstrument mit seinem digitalen Soundgewand. (Liebe Kinder, bitte nicht zuhause nachmachen!)
Danach tobten bombastische Klanggewitter durch die Betonräumlichkeiten, die einem fast die Schuhe ausgezogen haben. Gepaart mit heftiger Nebelperformance und Lasereinsatz entwickelten sich diese Flächen und schmerzvollgenialen Klänge dann immer weiter zu einem rhythmischen Spektakel, das tanzend aufgenommen wurde, soweit man dies hinter der riesigen Nebelwand erkennen konnte. Nachdem sich die beiden Protagonisten in ihrer Ekstase fast zum Höhepunkt aufgeschaukelt hatten, folgte ein sehr langer Wortbeitrag, der Zusammenhänge zwischen Kriegsspielzeug, Pazifismus, Kriegsbegeisterung, Ablehnung, Militarismus und Familienatmosphäre erkennen ließ. Während der geneigte Zuhörer noch mit einer Verarbeitung der verschiedenen Statements beschäftigt war, ballerte schon längst der geliebte Atrox-Sound
wieder aus den Boxen. Beendet wurde die eigenständige und nicht chartverdächtige
Darbietung mit einer fröhlichen und nicht gerade kleinen Konfettikanone.
LARVAE (USA)
… durfte ich vor ca. 5 Jahren schon einmal auf dem [Maschinenfest 2004] bewundern.
Dort zog er bereits die Zuschauer durch seine geniale Video-Performance in
seinen Bann. Die Bildergewalt war damals so überwältigend, dass sein Sound von
mir nicht mehr so recht wahrgenommen wurde. Diesmal hingegen gab ich mir Mühe,
mich nicht so stark von den Videos ablenken zu lassen. Mit Erfolg, seine
Klangkünste konnten mich ebenfalls begeistern. Resultat: Kauf von zwei CDs und
einer DVD. Schön war das Antwortschild am Ad Noiseam-Stand: Yes, there
is a Larvae DVD and we have it here for 10€. (Yes, we can!)
GEISTFORM (ES)
… war für viele eine lang erwartete Rhythmus-Darbietung, bei der man sich mal
wieder so richtig gehen lassen durfte. Genau die richtige Einstimmung für einen
Tanzhöhepunkt, der durch zwei weitere bekannte Projekte aufgegriffen und
erfolgreich fortgeführt werden konnte.
THIS MORN’ OMINA (B)
… wollte ich mir diesmal eigentlich sparen, nur warum eigentlich? Liegt es etwa
daran, dass ich mich damals von ihrem Hit One eYed Man hab mitreißen
lassen und diesen später durch Übersättigung nicht mehr hören konnte?
Glücklicherweise hab ich mich anders entschieden und konnte so einen hervorragenden Auftritt audiovisuell genießen. Die vier Musiker nötigten mit
ihrer Perkussion nicht gerade wenig Besucher, das Tanzbein zu schwingen. Wen
wundert das!?
S.K.E.T. (D)
… haben sicherlich alles gegeben, vermute ich, denn zum Auftrittsbeginn habe ich
bereits im Bett gelegen.
Für einen passenden Ausklang sorgten dann noch die DJs Paradroid und
Thedi mit einer so genannten Aftershow-Party. Ich kann nur hoffen,
dass diese späte Arbeit noch ausreichend gewürdigt wurde und die anderen Gäste
nicht meinem Beispiel gefolgt sind.
Eingangs hab ich bereits erwähnt, wie gut mir die Organisation wieder einmal
gefallen hat. In diesem Zusammenhang möchte ich mich noch einmal beim gesamten
Team für das tolle Wochenende bedanken. Oft befinden sich die wirklichen Stars
nicht auf der Bühne. So auch ein gewisser Herr Stephen Swartz, der unter
anderem für das diesjährige Elektroanschlag-Hintergrundvideo verantwortlich ist.
Als ehemaliger Videokünstler und -filmer weiß ich seine Arbeit besonders zu
schätzen. Er schafft es offensichtlich, den schwierigen Spagat zwischen ständig
wiederholenden Bildschleifen und wachsender Neugier hinzubekommen. Aber auch
Kurzfilme gehören zu seinen Stärken, wie mir der Film The Boxmaker zeigt.
Man darf also gespannt sein, was es auf dem Elektroanschlag Nr. 11 zu sehen und
zu hören gibt.
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