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 Familientreffen V

Fr.: Guerrilla, Kommando XY, Kropp, Jäger 90, Proceed, Spetsnaz, Sturm Café, E-Craft, Parade Ground
Sa.: Bodystyler, Agrezzior, Ad:Key, Autodafeh, Void Kampf, Sequenz-E, Coinside, A Split Second, Volvo 242, Rummelsnuff

Freitag/Samstag, 24/25.07.2009 Sportplatz, Sandersleben

 

 

Pausenlos Electronic Body Music und ein wenig EBM

Seit fünf Jahren gibt es nun schon das so genannte Familientreffen, bei dem sich Gäste aus der ganzen Welt einfinden, um den Bands einer inzwischen begrifflich missbrauchten Musikkategorie zu huldigen. Die Rede ist von der in den 80er Jahren entstandenen Musikrichtung Electronic Body Music oder kurz EBM. Nach dem Jahr 1993 gab es eine lange Zeit kaum noch Bands, die diesen Stil korrekt weiterführen wollten oder vielleicht nicht konnten. Der Begriff wurde aber dennoch gerne für alle späteren Veröffentlichungen mit einfachem Vierviertel-Takt in der schwarzen Szene verwendet. Wer möchte auch schon gerne auf eine geheimnisvolle Abkürzung verzichten, mit der man sich in der kommerzialisierten Szene und außerhalb so schön abgrenzen und interessant machen kann.

Das es immer Menschen gibt, die mit so einer Entwicklung nicht einverstanden sind und im kleinen Rahmen ihren Unmut bekunden, dürfte klar sein. Dass es jedoch im Osten Deutschlands Veranstalter gibt, die nicht nur reden und sondern auch handeln, ist eher die Seltenheit. Und so kam es dann wohl, dass kurz nach der Euroeinführung so langsam eine offizielle EBM Offensive im Dessauer Beatclub gestartet wurde. Im Jahre 2002 war sicherlich noch nicht abzusehen, dass Jahre später bereits ein Sportplatz angemietet werden muss, um über 500 Gäste für ein Wochenendfestival unterzubringen. Da ich bisher leider nur wenige Veranstaltungen aus dem Verantwortungsbereich der <electric-tremor>-Organisation besuchen konnte, möchte ich nicht zu sehr auf geschichtliche Dinge eingehen und mich stattdessen mehr auf das konzentrieren, was ich selbst miterlebt habe – Das Familientreffen V.

Open Air-Festivals stellen für Schön-Wetter-Poser immer ein Problem dar. Aber selbst Träger militärischer Ausrüstungsgegenstände fühlen sich als begossener Pudel recht unwohl. Da kommt es schon mal vor, dass ein Open-Air-Festival trotz hervorragender Bandauswahl gemieden wird. Im Jahre 2009 sollte sich dies allerdings ändern und ich besuchte mit hohen Erwartungen den Sportplatz in Sandersleben. Nach problemloser Anreise und viel Regen befand man sich dann irgendwann trocken im harten Kern der Besucher des Festivals. Mit ausreichend Unterstellmöglichkeiten, professioneller Bewirtung, vielen Merchandising-Ständen und angenehmer Atmosphäre startete relativ pünktlich das Festival am frühen Freitagabend.

An beiden Tagen gab es nicht viel Regen, dennoch reichte er aus, um bestimmten Bands den tanzenden Part des Publikums zu entziehen. Besonders Kropp und Void Kampf mussten diese Ergüsse ausbaden. Da im vorderen Bühnenbereich eine Woche vorher Leitungen im Boden verlegt wurden, war der Boden zwischen Bühne und Tanzfläche recht matschig. Begünstigt durch Regen und ständigen Ansturm in Richtung Bühne, ergab sich ein recht klebriger Untergrund, der einem fast beim Betreten die Schuhe auszog. Die Erdmasse verbreitete sich dann irgendwann auf der ganzen Betontanzfläche. Ausrutscher und heftiges Tanzen veränderten sofort die eigene Kleidung und/oder die des Nachbars mit einem neuen Flecktarnmuster. Von dem Zustand der Schuhe brauche ich gar nicht erst anzufangen. Jäger 90 mussten bei dem Anblick und Singen ihres Songs Stiefelblitz auf jeden Fall Tränen in den Augen gehabt haben. Die ganz harten Besucher ließen sich vom Matsch und Regen nicht davon abhalten, beim Auftritt von Void Kampf ihre Liegestütze im zu meidenden Bereich durchzuführen. Ob Alkohol im Spiel war, weiß ich nicht. Trotzdem Respekt!

Spielend ging es am Samstag weiter. Um 13:00 Uhr fand ein Fußballspiel zwischen FC EBM United und SV Traktor Sandersleben statt. Diese Darbietung habe ich komplett verpasst, so konnte ich mich nur auf die Aussagen anderer Gäste verlassen. FC EBM United soll trotz heftigen Feierns in der Nacht recht gut gespielt haben. Das Ergebnis konnte ich, oder vielleicht auch wollte ich, nicht herausfinden.

Am Samstag gab es noch ein weiteres Ereignis, dass man auf anderen Festivals eher selten erlebt. Kräftemessen während der Auftrittspausen mittels Holzhammer, ein wenig Mechanik und angezeigter Ergebnisskala. Vielen sicherlich bekannt unter dem Begriff Lukas bzw. Hau den Lukas. Hier konnten die Gäste zeigen, was in ihnen steckt. Nach ein paar Schlägen hab ich mich allerdings vom Gerät entfernt, nachdem die meisten Frauen bessere Ergebnisse erzielten. Die zu erreichende Glocke hat an dem Abend jedoch niemand zum Läuten gebracht, auch keine Frau. Auf dem Familientreffen VI im Jahre 2010 wird es vielleicht noch einmal die Möglichkeit geben, seinen Musikgeschmack unter Beweis zu stellen. Aber nun endlich zum Höhepunkt des Festivals, die Bandauswahl.

Die Bandauswahl 2009 gestaltete sich wie folgt:

Guerrilla ist ein aus den Niederlanden stammendes EBM-Projekt, das sich wie viele andere nach eigenen Angaben von bekannten Bands wie CAP, Nitzer Ebb, Front Line Assembly, Jäger 90 inspirieren lässt. Hintergrundinformationen zu diesem Projekt gibt es <hier>.

Kommando XY, das sich als völlig unpolitisch bezeichnende, schwedische Duo,  lieferten die von ihnen angegebenen so genannten Anhalt-EBM Klänge, stark beeinflusst von Projekten wie Pouppée Fabrikk, Liaisons Dangereuses, Deutsch Amerikanische Freundschaft, Nitzer Ebb. <Hier> ein paar Hörbeispiele, die dies verdeutlichen. 

Kropp, ein recht junges Projekt, was auf dem Festival dieses Jahr ganz klar zu meinen Höhepunkten zählte. Die beiden Musiker Jan Gustavsson (Synthesizers & Vocals) und Bengt Gustavsson (Live Percussion) wurden zwar nicht mit dem Wetter beglückt, dennoch ließen sich die eingefleischten Fans nicht davon abbringen, vor der Bühne alles zu geben. Leider gibt es noch keine Tonträger von dieser überragenden Formation zu kaufen. <Hier> kann man die meisten Titel zumindest per Download käuflich erwerben. 

Jäger 90, das unter dem Namen Slides und nicht TKF entstandene Projekt, verkörpert die minimalistischen EBM-Klänge par excellence. Man könnte fast schon von einem DAF-Klon sprechen, wenn man sich die Bewegungen von Thoralf Dietrich einmal genau anschaut. Gastspiele als Sänger der DAF.Partei dürfen da sicherlich nicht verwundern. Rein optisch bekommt man es auf der Bühne mit ledertragenden Strahlenflugzeugpiloten zu tun. Nach Entfernen des Helms verdeutlicht dies jedoch nur noch die klassische Fliegerbrille, deren wahrer Bekanntheitsgrad mehr durch Filme gesteigert wurde, die eigentlich niemand schaut. Auch Jäger 90 bieten weitere Informationen auf ihrer Internetseite, siehe <hier>.

Proceed waren nach einer langen EBM-Durststrecke für mich ein Neuanfang in der fast schon toten Electronic Body Music Szene Ende der 90er. Man könnte sie fast schon zum Wegbereiter einer neuen EBM-Ära küren. Aber sicherlich müssen sie sich diesen Ruhm noch mit anderen Bands teilen. Hab schon mehrere Konzerte von ihnen erleben dürfen. Der auf dem diesjährigen Familientreffen gehörte aber definitiv zu ihren besten. Ihren Internetauftritt gibt es <hier> zu bewundern.

Spetsnaz, das als damals beschriebene schwedische Nitzer Ebb Pendant, das ihren Namen mit der russischen Spezialeinheit teilt, lief wieder einmal zur Höchstform auf. Während Stefan Nilsson in bekannter Qualität den Rhythmus prügelte, ließ Pontus Stålberg seine Aggressionen durch ebenfalls starken Körpereinsatz unter Schreigesang heraus. Zu ihren Einflüssen zählen sie DAF, Front 242, Die Krupps und Nitzer Ebb, was niemanden wundern dürfte. <Hier> gibt es noch weitere Informationen.

Sturm Café - Der angeblich letzte Auftritt dieser schwedischen Formation fand auf diesem Festival statt. Bleibt abzuwarten, ob es wieder einmal nur der letzte Auftritt vor dem nächsten sein wird. Wäre echt schade, wenn man Songs wie Stiefelfabrik und Der große Schwein nicht mehr live erleben kann. Hörbeispiele der Schweden gibt es auf <hier>

E-Craft genießen einen hohen Bekanntheitsgrad und durften deshalb auch recht spät auftreten. Dennoch war ihr Polarisationsgrad recht hoch. Ein eigenes Konzert von E-Craft würde ich sicherlich nicht ansteuern. Im Rahmen eines Festivals schaut man sie sich dann aber doch an. Ihr musikalisches Output klingt mir einfach zu glatt. Wer jedoch auf perfektionierten Sound steht, der sollte folgende Seite <hier> besuchen. 

Parade Ground lieferten etwas ab, das sich kaum beschreiben lässt. Das absolute Gegenteil zu E-Craft. Einfach alles nur kaputt, kalt und beängstigend. Musik, die als Soundtrack nach einem Nuklearkrieg eingesetzt werde könnte, um das Leid zu beschreiben. Ein Keyboarder, der sich vom Sänger mit Stiefeltritten auf dem Boden vermöbeln lässt oder sich selbst mit dem Mikrophon den Oberkörper fast blutig schlägt. Dies hatte wahrhaft nichts mehr mit der kühlen und sanften Pop-Musik von Jean-Marc & Pierre Pauly aus den 80ern zu tun. Zwei Seiten einer bemerkenswerten Band, wo ich nicht so recht weiß, was mir eigentlich besser gefällt. Leider sind mir ihre neuen Werke noch nicht als Tonträger untergekommen. Ihr <Internetauftritt> lässt ein wenig auf ihr neues Konzept schließen.

Im Anschluss gab es mit den DJs Puppe, Lazer Stefan, Rudi Rüpel und Dave noch eine schöne Zeltparty, die mit entsprechender Musik beschallt wurde.

Bodystyler gaben am Samstag zu früher Stunde einen schönen Auftakt. Kevin G. und Basti N. lösten bei mir recht früh einen Tonträger-Kaufwunsch aus, der leider nicht befriedigt werden konnte. Ein Phänomen, das leider während des Festivals nicht gerade selten auftrat. Zumindest gibt es <hier> Hörbeispiele.

Agrezzior ist ein neues EBM-Projekt, das sich streng genommen aus drei bekannten Bands zusammensetzt. Rob (Guerrilla), Johan Damm (Menticide, früher Dupont) und Jeppe (Autodafeh) bilden Agrezzior und werden voraussichtlich November 2009 erstes Material veröffentlichen. Bis dahin muss man sich noch mit Soundschnipseln ihrer  begnügen, die man <hier> anwählen kann.. 

AD:Key Agro und Andrea haben sich ihren Angaben nach von Bands wie Armageddon Dildos, Kraftwerk, Depeche Mode, Container 90, Tribantura und Bigod 20 beeinflussen lassen. Einflüsse von Armageddon Dildos sollten den eingefleischten Szene-Kenner weniger wundern, alle anderen werden aber recht schnell durch recherchieren erfahren, dass Agro seit 2003 bei den Armageddon Dildos aktiv mitwirkt. Der weibliche Gesangspart bei AD:Key, den man sonst kaum oder gar nicht von so genannten Old-School-Projekten kennt, klingt ein wenig gewöhnungsbedürftig, verleiht diesem Projekt aber eine besondere Note. Infos gibt es auf ihrer <hier> oder <hier>.

Autodafeh - Die mit drei Personen auf der Bühne agierenden Künstler kamen ohne die erwartete Aggressivität aus. Das führte dann wohl auch dazu, dass meine Begeisterung ein wenig ausblieb. Den vorab getätigten CD-Kauf hätte ich sicherlich nach ihrem Auftritt nicht durchgeführt. Nach hören der CD hielt sich meine dezente Abneigung dann aber doch in Grenzen. <Hier> könnt ihr Euch ein akustisches Bild machen.

Void Kampf bedeutet, es befinden sich 5 Personen auf der Bühne, von denen fast jeder einmal den Titel Mister Body trug. Das französische Projekt, dessen Name sich sicherlich vom Film Blade Runner ableiten lässt, wussten nicht nur mit gutem Sound zu überzeugen. Ihre körperintensive Bühnenshow wertete die musikalische Darbietung noch weiter auf. Leider harmonierten der Regen und das viel zu kleine Zeitfenster dabei nicht. Enttäuschend war für mich die Tatsache, dass ich ihren Song Suck My Beat nicht vernehmen konnte. Weitere Informationen zu Void Kampf gibt es <hier>.

Sequenz-E, die fast ausschließlich auf Deutsch singen, zwingen einen fast schon zur Auseinandersetzung mit ihren sehr intensiven Texten, auch wenn man eher eine oberflächliche, tanzbare Berieselung wünscht. Gehirnabschalten ist von Sequenz-E sicherlich unerwünscht. Hörproben gibt es bei einem bekannten Seitenbetreiber. Einfach <hier> klicken. 

Coinside - Das seit dem Jahre 1993 bestehende und durch Sven Bussler gegründete Projekt Coinside wurde im Laufe der Jahre immer weiter personell verstärkt. Live liefern sie eine sehr düstere und martialische Performance ab, mit der sie, verstärkt durch ihren bedrückenden Sound, eine sehr beklemmende Atmosphäre schaffen. Von oberflächlicher Partymusik ist diese Konstellation glücklicherweise weit entfernt. Leider ist es sehr schwer an die begehrten Tonträger von Coinside zu kommen, da ihre Veröffentlichungen nicht gerade auflagenstark produziert wurden. Weitere Infos zum Projekt <hier>.

A Split Second - Marc Ickx (Marc Heyndrickx) und Chrismar Chayell (Peter Bonne) sind A Split Second. Ein Urgestein dieser Musikrichtung und fernab vom typischen Nitzer Ebb/DAF Sound. Beide Musiker können auf eine lange Schaffensphase zurückblicken. Marc Ickx arbeitete Anfang der 90er unter anderem mit Marc Verhaeghen unter dem Projektnamen X10 und Chrismar Chayell ist seit Anfang der 80er in der Band Twilight Ritual aktiv. Auf dem diesjährigen Familientreffen gab es alle bekannten Stücke von A Split Second zu bewundern. Ihre Homepage gibt es <hier>.

Volvo 242 - Eine zweitürige Volvo-Limousine der 240er Serie aus den 70er Jahren dient als Namensgeber für einen Live-Zusammenschluss bekannter Musiker, die sich auf das Spielen von Front 242 und Nitzer Ebb Titeln spezialisiert haben. Bestehend aus den beiden Spetsnaz Musikern Pontus Stålberg und Stefan Nilsson, damals noch verstärkt durch Jouni Ollila (Pouppée Fabrikk), diesmal jedoch durch einen mir nicht bekannten, aber absolut fähigen Schlagzeuger, peitschten einen Hit nach dem anderen durch die tanzwütige und begeisterte Menge. Hier haben sich dann wohl die letzten Energiereserven des Publikums entladen.

Rummelsnuff - Beim Schwerathleten Rummelsnuff wurden keine weiteren schweißtreibenden Bewegungen gefordert. Ruhiges Schunkeln und Easy Listening war angesagt, wenn das Muskelpaket seine melancholischen Stücke zum Besten gab. Unterstützt wurde er rhythmisch durch Thoralf Dietrich und einer mir unbekannten Musikerin. Wer sich ein Bild von Rummelsnuff machen möchte, sollte seine <hier> seine myspace-Seite besuchen, dort lassen sich unter anderem viele Videos von seiner Kunst bewundern.

Zum Ausklang der Nacht von Samstag auf Sonntag durften noch die DJs Jörn Karstedt, Anhalt-Machinery, Erez und August Der Starke die Zeltbeschallung übernehmen.

Als Resümee kann ich auf ein perfekt organisiertes Festival mit toller Musik, super Atmosphäre mit familiärem Charakter und der Gewissheit, 4 Jahre eine Menge verpasst zu haben, zurückblicken. Mögen die Veranstalter von ihren Fähigkeiten in den nächsten Jahren nichts einbüßen.

20070404

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Guerrilla

Kommando XY

Kommando XY

Kropp

Kropp

Jäger 90

Jäger 90

Jäger 90 Stiefelblitz!

Proceed

Proceed

Spetsnaz

Spetsnaz

Spetsnaz

Sturm Café

E-Craft

Parade Ground

Parade Ground

Parade Ground

Fragwürdige Symbolik

Hammer 1

Hammer 2

Junge Elite

Bodystyler

Bodystyler

Bodystyler

Agrezzior

Agrezzior

AD:Key

AD:Key

Autodafeh

Autodafeh

Autodafeh

Void Kampf

Void Kampf

Void Kampf

Void Kampf

Void Kampf und animierte Fans

Void Kampf

Sequenz-E

Sequenz-E

Sequenz-E mit Johan Damm

Coinside

A Split Second

A Split Second

A Split Second

Volvo 242

Volvo 242

Volvo 242

Rummelsnuff

Rummelsnuff

Rummelsnuff

 

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