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24.03.2007 |
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Geburtstagsfestival der Intimitäten
…ist sicherlich eine etwas merkwürdige Überschrift für dieses außergewöhnliche Festival und wirft bestimmt ein paar Fragen auf. Diese werden allerdings beim kompletten Lesen des Berichtes beantwortet. Nach meinem letzten Besuch im Dessauer Beat Club hatte ich die Entscheidung getroffen, dass es mit ziemlicher Sicherheit nicht der letzte sein wird. Allerdings konnte ich nicht ahnen, dass es schon knapp ein halbes Jahr später zu dieser Wiederholung kommen würde. Aber wer kann auch schon bei so einem Programm irgendwelche Ledercouch-Alternativen ins Auge fassen.
Die wieder einmal unproblematische Anreise und das sofortige Auffinden der gebuchten Pension ließen schon im Vorfeld eine entspannte Einstimmung auf den Abend zu. Obwohl sich, wie so oft, direkt neben der Übernachtungsmöglichkeit eine Kirche befand, wurde die durch die Zeitumstellung verkürzte Nachtruhe nicht mit frühem Glockengeläut gestört. Der bereits um 19:30 Uhr nicht nur mit Autos gut gefüllte Parkplatz lies auf einen pünktlichen Beginn des Festivals schließen. Im Eingangsbereich wurden die Gäste leider darauf hingewiesen, dass Kameras nicht gestattet sind. Somit bleibt jetzt nur die Möglichkeit sich mit Hilfe von Berichten, Erzählungen oder persönlichen Erinnerungen ein Bild des Abends zu machen. Wenige Minuten nach 20:00 Uhr kam Frank ans Mikro, um den Auftritt des Projektes Mezire anzukündigen. Mir völlig unverständlich, tat er dies in entschuldigender Weise und verwies gleich auf das nachfolgende Projekt T.A.N.K., bei dem er live ebenfalls tätig ist. Nun aber zum Mezire Auftritt. Gestartet wurde der Auftritt mit meinem bis zu diesem Zeitpunkt Lieblingsstück Reanimate. Etwas leicht verwirrt und verstört bewegte sich der Sänger dazu auf so der Bühne, als ob er gerade erst zum Leben erweckt wurde. Die nachfolgenden Stücke wurden mit extrem starkem Stroboskoplicht begleitet, was kaum noch einen Blick auf die Bühne ermöglichte. Eigentlich optimale Bedingungen zum Fotografieren, aber lassen wir das. Bei den ganzen Lichtblitzen hab ich überhaupt nicht bemerkt, dass inzwischen Dirk hinter den Geräten seine Arbeit verrichtete. Wie zu erwarten, gab es natürlich das Stück Suffer und dies sogar in zweifacher Ausfertigung. Gewählt wurde unter anderem der Volt-Mix. Vermutlich um die etwas distanzierten Gäste vor der Bühne recht früh zum Tanzen zu animieren. Die vorherigen, experimentellen Stücke, die mir persönlich am besten gefielen, lockten leider die wenigsten direkt vor die Bühne. Dafür durfte mein neues Mezire-Lieblingsstück (Penal Colony) entdecken. Wie bereits erwähnt, folgte hiernach mit der Unterstützung des Mezire-Sängers, versteckt hinter seinen Geräten, das Projekt T.A.N.K.. Auch hier gab es wieder eine kleine Ansprache und einen Hinweis auf das fünfjährige Bestehen von Electric-Tremor. Dass es dabei zu Anfeuerungsrufen bezüglich irgendwelcher Frisuren kam, scheint wohl auf dem Hintergrundwissen eines kleinen Kreises zu beruhen. Mit stark verstellter und böser Stimme wurde nach der Ansprache gesungen, ohne sich dabei irgendeiner Verzerrer- und Halltechnik zu bedienen. Das Mirkofon mit dem zugehörigen Ständer wurde während des Auftritts auch visuell mit in die Performance eingebaut. So wurde oftmals der Ständer geboxt bzw. angerempelt, das Mikro umklammert und teilweise gemutet. Der zwischenzeitliche Hinweis, sich den Hyms Of Steel Sampler zuzulegen, auf dem sich selbstverständlich ein T.A.N.K.-Stück befindet, sollte meines Erachtens wirklich befolgt werden. Der nachfolgende, fast zeitgleiche Auftritt von Container 90 und Presto Fervant wurde kurz vorher angekündigt. Dies ist jedoch etwas untergegangen, so dass einige meinten, der Auftritt von Presto Fervant wäre ausgefallen. Stattdessen spielte die fast gleiche Besetzung immer ein Stück von Container 90 und Presto Fervant im Wechsel. Mir waren allerdings nur die meisten Container 90 Stücke bekannt. EBM Radio und Boots Of Precious brachten wie immer den Saal zum Kochen - Oberbekleidung gab es vor der Bühne eigentlich nur noch bei den weiblichen Gästen zu sehen. Schön war es beim technischen Equipment wieder einmal einen Korg MS-20 bewundern zu können. Dieser war sogar in der Lage, wenn auch nicht ganz beabsichtigt, polyphone Windowsmelodien abzuspielen. Da die DAF.Partei als letztes spielen sollte, wurde es so langsam Zeit für das im Vorfeld nicht angekündigte Projekt. Ionic Vision-CDs am Merchandisingstand ließen jedoch schon früh darauf schließen, dass sich diese Artikel dort nicht zufällig befanden. Und so standen dann nicht mehr so ganz überraschend Ionic Vision auf der Bühne. Die ersten Titel hab ich im vorderen Bereich der Bühne verfolgt und war besonders von den markanten Schlaggeräuschen begeistert. Nach der Hälfte zog es mich dann allerdings mehr in den Vorraum, so dass ich nicht mehr richtig mitbekam, ob sie noch das Stück Push spielten, was eigentlich nicht fehlen darf. Die Wiedervereinigung des Projektes Spetsnaz war sicherlich ein Teil der Krönung des Abends und genauso wurden diese Jungs auch gefeiert. Vor der Bühne gab es wieder einmal härtesten Körpereinsatz, der hoffentlich nicht zu ernsten Verletzungen führte. Davon mal abgesehen, dass so ziemlich alle wichtigen Spetsnaz-Titel (Apathy, To The Core, Bloodsport, On The Edge...) gespielt wurden, fragte der Sänger jedes Mal das Publikum was als nächsten kommen soll. Das Leben ist halt doch ein Wunschkonzert, zumindest in Dessau. Besonders körperbetont ging es beim Stück The Perfect Body zu, bei dem der Schlagzeuger stolz seinen Hefespoiler präsentierte. Da er sich allerdings mehr im Hintergrund aufhielt, durfte man stattdessen während des Stückes die wesentlich kleinere Ausführung des Sängers begrapschen. Schön waren auch die Kleinigkeiten, die mit dem eigentlichen Auftritt nichts zu tun hatten. So spielte sich beispielsweise der Schlagzeuger mit den Hintergrundstücken in der Umbauphase warm. Sehr angenehm, den Rhythmus des Skinny Puppy Stücks Hexonxonx mal auf diese Weise präsentiert zu bekommen. Apropos Rhythmus, der wichtigste Auftritt kam ja noch, die DAF.Partei - Robert Görl zusammen mit Thoralf Dietrich, dem Sänger von Jäger 90. Das hier die Erwartungshaltungen ziemlich hoch waren, dürfte allen klar sein. Allein die Tatsache, dass die Original-DAF-Tapes von 1981 zum Einsatz kamen und Robert Görl endlich selbst wieder am Schlagzeug saß, rechtfertigten schon die Reise nach Dessau. Dass Thoralf Dietrich diesen Auftritt dann noch einmal extrem aufwertete, machte diese Darbietung zum absoluten Genuss. Bei zwei Stücken gab es leider Synchronisations- und nicht ganz unerhebliche Soundprobleme. So konnte man das zweite Stück, Als wär’s das Letzte Mal, nur schwer heraushören und der nötige Druck fehlte. Nicht ganz so schlimm war es bei Verschwende Deine Jugend. Alle anderen Stücke kamen richtig gut und wurden perfekt dargeboten. Die überdimensional großen Kassettenrekorder auf der Bühne erinnerten stark an die achtziger Jahre und dienten wie auch schon damals zum Abspielen der elektronischen Sequenzen. Früher stand für jedes Stück ein eigenes Tapedeck zur Verfügung, hier musste Thoralf nach jedem Stück die Kassette wechseln. Robert war stattdessen stets mit dem analogen Schlagzeug beschäftigt und hämmerte die bekannten Rhythmen rein. Ein klanglicher und visueller Genuss! Noch kurz zur Reihenfolge der gespielten Titel: Los ging es mit einem DAF Frühwerk namens Gewalt. Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal Stücke vom Album Die kleinen und die Bösen live erleben darf. Der dritte Titel, Verlier Nicht Den Kopf, gehört ganz oben in meine Wunschliste und wurde glücklicherweise auch gespielt. Die Reihenfolge der anderen Stücke ist mir leider entfallen, dafür aber nicht die Titel. So konnte man noch folgenden Klängen lauschen : Mein Herz macht Bum, Knochen auf Knochen, Osten währt am längsten, Der Mussolini, Dein Kleid ist rot, Alles ist gut, Ich und die Wirklichkeit, Sato Sato, Der Räuber und der Prinz, Die Lippe. Die absolute Überraschung war Knochen auf Knochen, ein Stück was eigentlich kaum jemand kennt. Das Osten Währt Am Längsten laufen würde, konnte man eigentlich schon im Vorfeld erahnen. Den Einbau der Textpassagen aus dem DAF.dos Stück Zurück Nach Marzahn jedoch weniger. Ich empfand dies aber als sehr angenehm, obwohl es ein kleiner Zeitsprung war. (Wer braucht auch schon eine Ledercouch!?) Die Hälfte des Auftritts wurde übrigens von einer durchs Publikum gereichte Flasche Korn begleitet. Leer war sie anschließend jedoch nicht. Dass nach dem Verlassen der Bühne weitere Stücke gefordert wurden, war selbstverständlich. Allerdings war die Art der Rufe etwas anders als sonst. Anstatt klassisch "Zugabe" zu brüllen, hörte man ständig "Zurückspulen", "Zurückspulen". Abgeschlossen wurde das Konzert mit dem Titel Die Lippe, bei dem vereinzelt Gäste ihre Gesangsqualitäten zum Besten gaben. Streng genommen war dies das längste Stück des Abends, da es um kurz vor zwei begann und erst um kurz nach drei zu ende war. Für die Zukunft wünsche ich mir weiterhin Festivals auf so einem hohen Niveau, die wie von den Gästen in Dessau entsprechend gewürdigt werden. Möge die Kondition des harten Kerns dort nie zu ende gehen! |
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