Es ist nicht leicht, wieder einmal über den Elektroanschlag zu schreiben
und dabei weitere Verbesserungen zum Vorjahr aufzuführen, wenn dies
eigentlich nicht mehr möglich ist. Denn das Festival 2006 (EA7) war
mindestens genauso professionell organisiert wie das 2005 ([EA6]). Selbst
Veränderungen im Umfeld, wie das notwendige Ausweichen auf ein etwas
weiter entferntes Hotel, wurden durch einen extra eingerichteten
Shuttle-Service gemeistert. Solche Randbedingungen sind unter anderem wohl
auch der Grund dafür, warum man auf dem Festival keine langen Gesichter
gesehen hat. In diesem Zusammenhang möchte ich mich noch einmal bei der
gesamten Mannschaft für ihren Einsatz und den reibungslosen Ablauf
bedanken. Auch das Wetter hat wieder einmal mitgespielt. Wichtig, um vor
der Tür eine so genannte „krumme Bratwurst“ zu essen. Und optimal für eine
kurze Ruhephase jenseits des gut beheizten und Schallwellen dominierenden
Innenraums, deren Decke vorsorglich durch Stoffbahnen abgehängt war, damit
der Putz nicht bei extremer Lautstärke auf die Gäste rieseln konnte.
Nun zum Schwerpunkt des Festivals, die Auftritte. Relativ pünktlich ging
es am Freitag mit dem Projekt <IO> los. Ein sehr geräuschintensives
Projekt, das sich glücklicherweise nicht die üblichen Club-Sounds auf ihre
Fahnen geschrieben hat. Sehr schöne Eröffnung. Simon Schall durfte als
zweites ran. Leider ist mir der Auftritt kaum in Erinnerung geblieben, so
dass ich hierzu nichts Genaueres schreiben kann.
Während und auch schon
vor dem Auftritt konnte man im Publikum viele „Gäste“ mit gelben Kapuzenshirts wahrnehmen. Das dies kein Zufall sein konnte, war spätestens
beim Auftritt von S?x Only klar. Sechs gelb gekleidete Soundtüftler, die
sich aus drei bereits bekannten Projekten zusammensetzen, ließen es
gemeinsam krachen. Für alle, die jetzt die nötigen
Hintergrundinformationen nicht auf dem Schirm haben, es handelt sich bei
dieser Multitasking-Formation um S.k.e.t., Greyhound und Heimstatt Yipotash.
Etwas ruhiger wurde es anschließend mit Tarmvred. Ähnlich wie bei Simon
Schall ist mir dieser Auftritt ebenfalls nicht in Erinnerung geblieben.
Eigentlich schade, dass ich die konzentrierte Arbeit hinter den Reglern
nicht würdigen kann, da es bei einem Live-Auftritt eher langweilig wirkt,
denn rein musikalisch kommen dieses Projekte, speziell auf CD, ganz anders
rüber.
Ambassador21 erinnerten mich stark an Atari Teenage Riot. Dennoch konnten
sie mich nicht richtig überzeugen. Interessanterweise ist das Stück auf
der zugehörigen Festival-CD richtig gut. Ein Phänomen, das ich ständig und
auch umgekehrt erlebe.
Nach diesem Auftritt konnte man meinen, dass dies der letzte Auftritt war,
denn alle Lichter gingen an. Wenig später ging den Gästen stattdessen ein
Licht auf. Denn Mlada Fronta mussten für ihren Auftritt die riesige
Videoleinwand aufbauen. Diese Aktion wäre im Dunkeln sicherlich weniger
von Vorteil gewesen. Wie schon im Vorfeld erwartet, war dieser Auftritt
für mich der Höhepunkt des ersten Tags. Schöne atmosphärische Klänge
„untermalt“ mit Bildern einer nicht gerade kleinen Videoprojektion. Ein
audiovisuelles Erlebnis!
Nach Mlada Fronta hab ich mir eine kurze Pause genehmigt und dadurch fast
den kompletten Auftritt von P.A.L. verpasst. Zum Glück kam ich aber noch
rechtzeitig zum letzten Stück, eine Coverversion von Clock DVA, zurück.
Vielleicht wird dieses doch einmal auf CD erscheinen. Das P.A.L. während
des Auftritts auf den Wunsch des Publikums einging, ein wenig lauter zu
spielen, kam sehr gut an.
Monolith kam wie immer sehr druckvoll rüber, was aber wohl daran liegt,
dass die Belgier die Regler immer ganz nach oben schieben. (Bemerkung: Die
Decke war abgehängt)
Der erste Auftritt am Samstag hat sich unglücklicherweise mit meiner
Zeitplanung ein wenig überschnitten. Deshalb hab ich IG für IK vs.
Betriebsdruck verpasst und logischerweise auch keine Fotos
geschossen. Sehr ärgerlich, besonders weil er sehr gut gewesen sein
soll. Nachdem ich das Stück auf dem Elektroanschlag-Sampler zuhause gehört
habe, musste ich mich dann noch mehr ärgern. Aber wie heißt es immer so
treffend: Wer zu spät kommt, den…
MC1R konnte ich komplett genießen. (Gerade noch rechtzeitig eingetroffen).
Die absolute Überraschung des Festivals. Es passte einfach alles: Super
Performance und Sound! Umso erstaunter war ich, dass es nirgendwo CDs zu
kaufen gab. Die Klänge des Projektes MC1R waren eher ruhiger und
anspruchsvoller, so dass sie mich teilweise ein wenig an Mentallo & The
Fixer erinnert haben. Die Performance setzte sich aus drei maskierten
Personen, die sich ein wenig in der Dunkelheit versteckten und einer
bedrückenden Videoprojektion zusammen. Für weitere Auftritte dieser Art
und des Projektes MC1R wäre ich dankbar.
Flint Glass hab ich nicht intensiv genug verfolgt, um über die Darbietung
etwas zu schreiben. Klangtechnisch jedoch auf sehr hohem Niveau, so dass
ein CD-Kauf ins Auge gefasst werden sollte.
Den absoluten Höhepunkt des Festivals stellten Beinhaus dar, obwohl es
auch viele gegenteilige Meinungen gab. Zu jedem Zeitpunkt passierte etwas
auf und vor der Bühne. Rein musikalisch bewegte man sich zwischen Harmonie
und Dekonstruktion.
Auch die Präsentation, deren Schwerpunkt sich
allerdings mehr im destruktiven Bereich befand, war ähnlich. Es ist
wirklich viel kaputtgegangen. Heftige Metallperkussion, Flex-Performance,
Betonzertrümmerung, Selbstverstümmelung usw.
Besonders interessant, die
vielen Klang-Facetten: Zwischen Romantikgesang und treibenden Beats war
eigentlich alles dabei. Die unterstützenden elektronischen Klänge wurden
von einem Laptop eingespielt, das mit seinem Display im hinteren Bereich
der Bühne demonstrativ in Richtung Publikum platziert wurde. Hätte ich nie
gedacht, dass so ein Gerät auch ohne permanente Bedienung funktioniert.
Eigentlich wäre es die Aufgabe vom nachfolgenden Projekt Empusae gewesen,
die Bühne wieder aufzubauen. Man entschloss sich aber glücklicherweise für
einen normalen Empusae-Auftritt. Wie zu erwarten, kamen sie beim Publikum
richtig gut an. Der absolute Kontrast zum Beinhaus-Auftritt, denn hier
ging es eher ruhig und harmonisch zu. Perfektion in den Flächen und Beats,
dafür aber so gut wie keine Performance. Bei Empusae stehen halt die
Klänge im Vordergrund.
Der Insekt-Auftritt hat mir überhaupt nicht gefallen, was
vielleicht daran gelegen hat, dass ich mich zu sehr auf ihre alten Stücke
gefreut habe. Ihr Stück auf dem zweiten EA-Sampler ist dafür umso besser.
Schön waren die Einlagen mit dem analogen Schlagzeug, die allerdings viel
zu kurz waren.
Obwohl es ungefähr eine Woche vor Ostern war, gab es bei Monokrom keine
Hasen und Möhren. Dafür standen auf der Bühne plötzlich vier Ninjas, die
richtig guten Rhythm & Noise abgelieferten. Das erwartete Seppuku-Ritual
ist aus Rücksicht auf die Fangemeinde ausgeblieben, um weiteren
CD-Veröffentlichungen nicht im Weg zu stehen.
Der zweite Gig von Mlada Fronta fand am Samstag statt. Er wurde einfach
mit Mlada Fronta II bezeichnet. Im Gegensatz zu Freitag fuhr er wesentlich
tanzbarere Rhythmen auf. Die meisten Stücke kamen sehr gut rüber. Auf der
Bühne bewegte er sich hinter seinem Pult noch viel intensiver als am
Freitag. Ein Wunder, dass er beim Headbangen mit seinem Kopf nicht das
Gerät zertrümmert hat.
Der heiß ersehnte Headliner am Samstag, Klangstabil, durfte nach
Mlada Fronta loslegen. Wie immer wurden pure Emotionen kombiniert mit noisiger
Popmusik ausgestoßen. Schön wäre es gewesen, wenn ihre sehr intensive
Darbietung noch ein wenig länger gedauert hätte.
Die anschließende Party, die ich mir allerdings gespart habe, ging noch
bis ca. 05:00 Uhr, wo sie dann trotz gut gefüllter Tanzfläche beendet
wurde.
Fazit: Nach diesen ganzen positiven Eindrücken des Elektoanschlags Nr.
7
steht einem Besuch in Altenburg 2007 eigentlich (hoffentlich!) nichts mehr
im Weg.
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